Eine Erhebung mit Anlauf – das Impfzentrum in den Messehallen


Der Start im Impfzentrum war wohl für uns alle der Lichtblick in dieser belastenden Corona-Zeit. Für uns war die Erhebung zur Barrierefreiheit im Auftrag der Kassenärztlichen Vereinigung Hamburg darum auch ein ganz besonderer Termin. Seit November sind wir an dem Thema barrierefreie Informationen zum Impfen und dem Zugang zum Impfzentrum „dran“. Zuerst haben wir bei der Sozialbehörde nach der Barrierefreiheit im Impfzentrum gefragt und bekamen eine Antwort, wie sie ganz typisch ist: es sei alles barrierefrei.

Mit einigen Beispielfragen zu den unterschiedlichen Dimensionen der Barrierefreiheit (Leitsystem, Terminbuchung gehörlose Menschen, Maße für Türen, Leichte Sprache) haben wir die Unzulänglichkeit dieser allgemeinen Aussage deutlich gemacht. Daraufhin wurden diese Fragen beantwortet, alle anderen blieben offen. Verwiesen wurde darauf, dass ausreichend Assistenzkräfte bereitstünden, um zu helfen. Teilhabe bedeutet aber, möglichst ohne Hilfe auszukommen! Erst über den Auftrag der KV Hamburg konnten wir dann am 14. Januar die Details erheben. Hier unsere Eindrücke, die genauen Daten findet ihr in unserer WebApp planb.hamburg.

Vor Ort ist alles großzügig, es gibt reichlich Parkplätze direkt vor dem Eingang, die Strecke von der S- Bahnstation ist ziemlich weit. Zumal auch die Wege im Impfzentrum lang sind. Es stehen Rollstühle, Scooter und Rollatoren in verschiedenen Größen zur Verfügung. Stühle im Wartebereich stehen immer mit gehörigem Abstand bereit. Es gibt schwellenfreie Anmeldeplätze. Vor den meisten dieser kleinen Kabinen ist eine kleine Stufe, verursacht durch die hier gelegten Strom- und Wasserleitungen. Bei einigen Plätzen ist das mit kleinen Rampen ausgeglichen.

Jede Menge Personal zur Assistenz steht zur Verfügung, die einen geschulten Eindruck auf uns machten. Wir konnten beobachten, dass sie sich sehr freundlich, umsichtig und respektvoll gegenüber den Besucher:innen zeigen. Es fehlt ein Leitsystem für blinde Menschen, Assistenzhunde können mitgebracht werden. Es gibt keine Hörverstärker. Wir haben empfohlen, mobile Hörverstärker anzuschaffen, zumal es in der Halle ziemlich hallt. Es fehlt uns noch die Information, ob Gebärdensprachdolmetscher:innen im Impfzentrum eingesetzt werden. Für das ärztliche Aufklärungsgespräch vor dem Impfen ist das wichtig.

Es gibt zwei Rollstuhl-WC, die Tür ist sehr schwergängig, sonst alles in Ordnung. Direkt vor dem Sanitärbereich ist immer eine Service-Kraft ansprechbar.

Unser Resümee. Es ist wie häufig, die Barrierefreiheit für mobilitätseingeschränkte Personen ist deutlich besser als für andere Bedarfe. Die größten Mängel im Zusammenhang mit dem Impfzentrum liegen aber beim System zur Terminvergabe. Hamburg setzt (noch?) auf die das Reservierungssystem über die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV). Hier können Termine entweder online oder über die 116 117 verabredet werden. Für alle ist dieses Terminbuchungssystem eine Zumutung. Älteren Menschen sind meist auf die Hilfe ihrer Angehörigen angewiesen. Hörbehinderte und gehörlose Personen wiederum können nicht telefonieren, online besteht keine Möglichkeit, den Bedarf für eine Dolmetschung anzugeben. Das Verfahren steckt voller Hürden und ist ja öffentlich schon heftig kritisiert worden. Die AWO Hamburg bietet jetzt sogar Impfberechtigten Hilfe bei der Buchung an; – sofern es Termine gibt.

Hamburg macht es sich zu leicht, wenn auf die Unterstützung von Angehörigen oder Assistenzkräften verwiesen wird statt für Barrierefreiheit zu sorgen. Grundsätzlich bei dem Verfahren zur Terminbuchung, für immobile impfberechtigte Menschen, die zuhause gepflegt werden, für Menschen mit Behinderung, die in Einrichtungen oder zuhause leben.

Mobilitätsbeeinträchtigte „Impflinge“ gelangen nicht in jedem Fall zum Impfzentrum. Liegend Transporte sind nicht vorgesehen, auf der Website der Sozialbehörde heißt es unter den Corona-FAQ, dass Fahrkosten von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen werden, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. Es besteht also zumindest die Möglichkeit eines Krankentransports analog zu den Regeln in der ambulanten Versorgung.

Es fehlen auch verständliche Informationen zur Impfung selbst. Das Aufklärungsformular und die Einwilligung sind nicht in einfacher und / oder Leichter Sprache formuliert. Eingesetzt werden Unterlagen vom RKI (in Leichter Sprache wird es gerade überarbeitet). Die Präsentation der Informationen zum Impfen ist zum Teil verwirrend, auf der Seite der Sozialbehörde wird auf die der KV verwiesen und andersherum. Die Seite der KBV ist nicht komplett barrierefrei zugänglich, eine Überarbeitung ist für Juni 2021 geplant.

Zu bedenken ist sicher, dass das Impfzentrum nur vorübergehend besteht und geschlossen werden wird sobald Impfstoffe zur Verfügung stehen, die in Arztpraxen verimpft werden können. Trotzdem: die Kritikpunkte beziehen sich auf Zugangsbarrieren, die bei Einhaltung gesetzlicher Regelungen vermeidbar gewesen wären.

Zu einer Impfkampagne gehören zwingend barrierefrei zugängliche Informationen, da Corona und das Impfen uns noch lang begleiten werden, wird das Thema bleiben.

 

 

 

 

 

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Veröffentlicht am 26. Januar 2021 von Redaktion
Kategorien: Barrierefreiheit, Corona, Teilhabe


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