BAG SELBSTHIFLE fordert Neuregelungen im SGB V
Finanzierungsstopp der Koordinierungsstelle aller Patientenorganisationen entzieht Umsetzung der Patientenbeteiligung im Gesundheitswesen die Grundlage
Düsseldorf/Berlin, 02.02.2023. Die maßgeblichen Patientenorganisationen nach § 140f SGB V sorgen seit fast 20 Jahren für eine wirkungsvolle und kompetente Vertretung der Belange von Patient*innen in zahlreichen Gremien des Gesundheitswesens. Dies ist nur durch die Organisation des Beteiligungsgeschehens seitens der BAG SELBSTHILFE als Koordinierungsstelle möglich. Ihre Arbeit ist für die Organisation der Patientenbeteiligung vor allem auch im Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) existenziell, denn zur Regelung der Beteiligung gehört das Monitoring aller Vorgänge in gesetzlich benannten Gremien wie dem G-BA, Zulassungs- oder Qualitätssicherungsausschüssen, die Suche nach geeigneten Patientenvertreter*innen, die Prüfung der Eignung und Unabhängigkeit vorgeschlagener Personen und die ordnungsgemäße Herstellung des Einvernehmens jeder einzelnen Benennung in Hunderten von Gremien und Tausenden von Sitzungen jedes Jahr. Der hiermit verbundene personelle Aufwand wurde bislang im Wege der Projektförderung durch das Bundesministerium für Gesundheit gefördert. Der nun geplante Finanzierungsstopp bedeutet das Aus für die zukünftige Beteiligung der Interessensvertretung aller Patient*innen in den entscheidenden Gremien des Gesundheitswesens.
„Bei Regierungsantritt wurde im Koalitionsvertrag eine Weiterentwicklung der Patientenbeteiligung angekündigt. Es ist für uns schlichtweg nicht nachzuvollziehen, warum das Gesundheitsministerium mit dem jetzt eingeleiteten Vorhaben, der Umsetzung zur Patientenbeteiligung jegliche Grundlage entzieht. Es müssen umgehend entsprechende Regelungen im SGB V geschaffen werden, die eine stabile Refinanzierung der Arbeit der Koordinierungsstelle Umsetzung der Patientenbeteiligung auf der Bundesebene ermöglichen. Gleiches gilt auch für die Patientenbeteiligung auf der Landesebene, die ebenfalls fast überall von der Selbsthilfe geschultert wird“, fordert Dr. Martin Danner, Bundesgeschäftsführer der BAG SELBSTHILFE und Sprecher des Koordinierungsausschusses der Patientenvertretung im (G-BA).
Bei ihrer Forderung wird die BAG SELBSTHILFE von den maßgeblich anerkannten Patienten – und Selbsthilfeorganisationen, wie dem Deutschen Behindertenrat (DBR), der BundesArbeitsGemeinschaft der PatientInnenstellen (BAGP), der Deutschen Arbeitsgemeinschaft Selbsthilfegruppen e. V. und der Verbraucherzentrale Bundesverband e. V. unterstützt, die sich mit einem entsprechenden Brief an den Finanzminister gewandt haben, denn von dem Finanzierungsstopp der Koordinierungsstelle sind sie gleichermaßen betroffen.
„Patientenorientierung im Gesundheitswesen ist nur mit der Selbsthilfe und nicht gegen die Selbsthilfe möglich. Die Zahl der Gremien und Beteiligungsformen, die der Gesetzgeber für die Interessenvertretung der Betroffenen vorgesehen hat, ist stetig gewachsen. Inzwischen kann man auf Bundes-, Landes-, kommunaler und sogar der europäischen Ebene von Hunderten verschiedener Möglichkeiten der strukturierten und geregelten Beteiligung ausgehen. Allein im G-BA sind derzeit mehr als 250 sogenannte sachkundige Personen als Patientenvertreter:innen im Einsatz. Diese Aufwände für die Organisation der Interessenvertretung und der Patientenbeteiligung dürfen nicht länger als „nicht förderfähig“ abqualifiziert werden“, betont Dr. Martin Danner.
Pressemeldung der BAG SELBSTHILFE
Hamburg hat keine gesicherte Patientenbeteiligung
Die LAG für behinderte Menschen fordert Umsetzung des Stärkungsgesetzes
Zum 3. Dezember, dem internationalen Tag der Menschen mit Behinderung, mahnt die Hamburger Landesarbeitsgemeinschaft für behinderte Menschen (LAG) die Umsetzung des Versorgungsstärkungsgesetzes für die Beteiligung von Patientinnen und Patienten mit chronischen Erkrankungen und Behinderungen an. Die LAG gehört zu den Organisationen der Patientenvertretung auf Landesebene, die eine professionelle Koordination einfordert für die Werbung, Schulung und Unterstützung der ehrenamtlichen Patientenvertreterinnen und –Vertreter. Ihre Beteiligung ist in diversen ärztlichen und (zahn)ärztlichen Landes- und Versorgungsgremien, Zulassungs- und Berufungsausschüssen vorgesehen, aber ohne professionelle Zuarbeit überhaupt nicht leistbar.
„Seit drei Jahren stellt man uns eine Stelle in Aussicht, die die Beteiligung der Selbsthilfe in den Gremien unterstützt. Inzwischen ist hier eine große Lücke entstanden,“ so Kerrin Stumpf vom Vorstand der LAG. „Wie machen uns weiter gemeinsam dafür stark, dass die Stelle bei der Verbraucherzentrale entsteht, damit chronisch Erkrankte und behinderte Menschen ihre Gremienvertretung wieder wahrnehmen können.“
Die Kostentragung für die Unterstützung auf Landesebene für Abstimmungstreffen, Koordinierung insbesondere im Benennungsverfahren sowie Fortbildung oder Schulung der Patientenvertreter („in vergleichbarer Weise wie auf der Bundesebene“) liegt gesetzlich zu gleichen Teilen bei der Kassenärztlichen Vereinigung sowie den Verbänden der Krankenkassen und der Ersatzkrankenkassen. „In der Verhandlung steckt der Teufel im Detail“, so Stumpf. „Doch uns platzt der Kragen, wenn ohne Koordination des Ehrenamts die Rechte von Patientinnen und Patienten mit chronischen Erkrankungen und Behinderungen auf der Strecke bleiben.“ Die LAG erwartet zeitnah von den Verantwortlichen eine Lösung.
Hamburger LAG für behinderte Menschen
Hintergrund: Die Beteiligungsrechte der Patientenvertretung sind durch das Gesetz definiert. Im Mittelpunkt stehen der § 140f SGB V und die Patientenbeteiligungsverordnung. Die für die Wahrnehmung der Interessen der Patient*innen und der Selbsthilfe chronisch kranker und behinderter Menschen sind „maßgebliche Organisationen“ benannt worden, die auch auf Landesebene aktiv sind. In Hamburg sind das KISS, LAG und Verbraucherzentrale und Patienten-Initiative. Wir haben allerdings als Institution ohne öffentliche Förderung diese Funktion schweren Herzens aufgegeben, weil sie einfach ohne jede Finanzierung nicht zu leisten ist.
Für eine Sicherung der Patientenvertretung in Hamburg ist die geplante Stelle unerlässlich!
Unabhängige Patientenberatung Deutschland wird neu aufgestellt
Referentenentwurf zur Errichtung einer Stiftung vorgelegt
Wir erhielten erst am 21.10. den seit Juni erwarteten Referentenentwurf zur Errichtung einer Stiftung Unabhängige Patientenberatung Deutschland (UPD) vom BMG zur Kommentierung. Aus unserer Sicht ist dieser Gesetzesentwurf wenig brauchbar für eine Neugestaltung einer UPD, die laut Koalitionsvertrag „in eine dauerhafte, staatsferne und unabhängige Struktur unter Beteiligung der maßgeblichen Patientenorganisationen“ überführt werden soll. Den Wunsch, die UPD zu verstetigen und in ein Regelangebot zu überführen, befürworten wir. Allerdings sind die geforderte Staatsferne und Unabhängigkeit vom bisherigen Geldgeber – dem GKV Spitzenverband – nicht gelungen. Wir sehen in dem vorliegenden Referentenentwurf keine wesentliche Verbesserung in Bezug auf die mögliche Unabhängigkeit des Beratungsangebotes und sind sehr verwundert, wie der Gesetzgeber ausgerechnet eine Institution als Stifterin und Finanzier der UPD vorsieht, deren Mitgliedsverbände die gesetzlichen Krankenkassen sind – häufig Anlassgeber für Beratung und Beschwerden in der UPD.
Die im Koalitionsvertrag festgeschriebene Staatsferne der neuen UPD wird aus unserer Sicht konterkariert, da im Stiftungsrat unter anderem Mitglieder des Bundestages, zweier Ministerien, des GKV Spitzenverbandes Bund und des PKV Verbandes sowie der Bundespatientenbeauftragte stimmberechtigt sind neben Patientenvertretern. Die Mitwirkung der maßgeblichen Patientenorganisation an der neuen UPD wird im Wesentlichen auf ein Vorschlagsrecht für den Vorstand und die nicht mehrheitsbestimmende Mitgliedschaft im Stiftungsrat begrenzt. Von einem Auftrag, dass die maßgeblichen Patientenorganisationen die UPD wieder zentral und regional betreiben sollen, ist keine Rede. Die Politik verpasst die Chance der Neugestaltung einer UPD, die am Beratungsbedarf der Ratsuchenden ausgerichtet sowie regional verankert und gut vernetzt ist.
Den vollständigen Text der Pressemitteilung findet ihr hier.
Auch der Bundesverband der Verbraucherzentralen teilt diese Einschätzung und fordert Nachbesserungen
Patient*innenrechte – Ärzt*innenpflichten
Die BAGP – Bundesarbeitsgemeinschaft der Patient*innenstellen – hat eine aktualisierte Version der Broschüre zum Thema „Patientenrechte – Ärztepflichten“ veröffentlicht. Sie kann als A4-Broschüre bestellt werden bei der BAGP (4 Euro Schutzgebühr plus Porto) oder hier eingesehen werden.
Broschüre Patientenrechte – Ärztepflichten, 68 Seiten (759 kb) Neuauflage 2022
Informationsangebote zur Pandemie in Hamburg
Stand: 01. November 2022
Für Fragen rund um das Coronavirus bietet die Freie und Hansestadt Hamburg sowie die Kassenärztliche Vereinigung Hamburg digitale und telefonische Unterstützung an. Hier eine kurze Übersicht für Bürgerinnen und Bürger mit den wichtigsten Informationen. Bitte wendet euch bei Fragen an die entsprechende Stelle.
Fragen rund um eine Corona-Erkrankung
Arztruf 116 117
Corona-Hotline der Stadt Hamburg: 040 42828 4000
Informationen zur Corona-Impfung und Terminvergabe
Alle Informationen und Impfangebote: www.hamburg.de/corona-impfung
Fragen rund um das Testen
Übersichtskarte zu kostenlosen Schnelltests: www.hamburg.de/corona-schnelltest
Telefonische Terminvermittlung für einen Test-Termin bei Ärztinnen und Ärzten: Arztruf 116 117
Fragen zu den aktuellen Regelungen in Hamburg
Alle Infos zu Corona: www.hamburg.de/corona
FAQ: www.hamburg.de/faq-corona
Presseinformation zur neuen Richtlinie der KBV zur Barrierefreiheit in Arztpraxen
Der Vorstand der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) hat Anfang des Monats eine neue bundeseinheitliche Richtlinie zur Barrierefreiheit von Arztpraxen beschlossen. Die Richtlinie legt fest, welche Auskünfte die Kassenärztlichen Vereinigungen für unterschiedliche Beeinträchtigungsgruppen erheben und bereitstellen müssen. Die KBV-Richtlinie ist somit die erste verbindliche Vorgabe auf Bundesebene für Auskünfte zur Barrierefreiheit von Arztpraxen und soll zum 1. Januar 2022 in Kraft treten. Für die kommenden Jahre sind weitere Entwicklungsstufen geplant, im Zuge derer unter anderem die Kriterien für blinde Menschen erhoben und zum 1. Januar 2023 ergänzt werden sollen.
Der Deutsche Behindertenrat (DBR) begrüßt grundsätzlich, dass die Vorgaben zur Barrierefreiheit nun erstmals bundeseinheitlich geregelt werden. „Es ist ein Schritt nach vorn“, sagt Dr. Martin Danner, Koordinator des DBR-Arbeitsausschusses, merkt jedoch kritisch an: „Die Richtlinie verfehlt ganz klar ihr Ziel, Patient*innen mit Behinderungen die Suche nach barrierefreien Arztpraxen zu erleichtern und eine gleichberechtigte medizinische Versorgung sicherzustellen. Umfang, Genauigkeit und Aufbereitung der Auskünfte reichen für eine umfassende Barrierefreiheit bei Weitem nicht aus.“
Dem Beschlussentwurf vorausgegangen waren drei Arbeitstreffen von Vertreter*innen der KBV und maßgeblicher Patientenorganisationen – darunter auch Mitglieder des DBR. Die DBR-Vertreter*innen zeigen sich enttäuscht darüber, dass Absprachen nicht eingehalten und Ergebnisse aus den Treffen kaum Berücksichtigung gefunden haben. Die individuellen Bedarfe und das Suchverhalten der Patient*innen werden nicht bedacht. Eine Weiterentwicklung der Richtlinie ist daher dringend und zwingend erforderlich.
Kritikpunkte des DBR an der verabschiedeten Fassung sind unter anderem:
- Fehlende Kriterien: Die Richtlinie enthält keine Merkmale zur Barrierefreiheit für Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen. Zwar ist dies in einer weiteren Entwicklungsstufe geplant. Wann diese erfolgen soll, ist bisher nicht festgelegt.
- Aufbereitung der Daten: Die Richtlinie weist Auskünfte zur Barrierefreiheit nicht anhand von Merkmalen aus, sondern fasst verschiedene Merkmale in Codes zusammen. Die konkreten Zugangsbedingungen vor Ort sind für Patient*innen damit nicht ersichtlich. Für Ärzt*innen bewirkt die Zusammenfassung, dass sie die Barrierefreiheit ihrer Praxis für eine bestimmte Beeinträchtigungsgruppe verneinen müssen, sobald ein Merkmal des entsprechenden Codes nicht erfüllt ist.
- Veraltete Standards: Die erhobenen Daten zu einzelnen Merkmale entsprechen nicht dem aktuellen Stand der Technik.
- Fehlende Objektivität: Die definierten Merkmale zur Erhebung der Daten können eine objektive Richtigkeit der Angaben nicht gewährleisten.
Darüber hinaus bleiben Fragen zur praktischen Umsetzung der Richtlinie offen. Nicht geklärt ist unter anderem, ob die Kassenärztlichen Vereinigungen eine Auskunftspflicht für praktizierende Ärzt*innen erwägen, wie sie die zugelieferten Informationen verifizieren und wie die Informationen für Patient*innen auf der Webseite aufbereitet werden.
Zu den offenen Punkten und Fragen werden der DBR und weitere Patientenorganisationen mit der KBV im Austausch bleiben und zusammen an der Ausgestaltung der Richtlinie arbeiten. Der DBR wird sich auch weiterhin kritisch und unterstützend einbringen.