„Wer kennt eine barrierefreie gynäkologische Praxis?“
Immer wieder taucht diese Frage in den sozialen Medien auf. @LauraGehlhaar twitterte gerade: „Drei von meinen rollstuhlfahrenden Freundinnen haben noch nie oder seit über 12 Jahren keine gynäkologische Untersuchung gehabt. Gründe: keine barrierefreien Praxen, Scham.“
Die Kommentare zu diesem Tweet ähneln sich und bestätigen diese Misere. Anruf in der Arztpraxis, es soll barrierefrei sein, dort ankommen und vor den Treppen stehen. Arztpraxis zieht vom barrierefreien Neubau in Altbau um. Der Zugang ist barrierefrei, aber man kommt weder auf die Toilette noch auf den Untersuchungsstuhl. Termine können nicht per Mail vereinbart werden, sodass gehörlose Patientinnen und Patienten sich nicht anmelden können. Assistenzhunde dürfen nicht mitgenommen werden. Die Liste lässt sich beliebig fortsetzen.
Es ist ein Skandal, dass Menschen mit Behinderung ihr Recht auf freie Arztwahl nicht wahrnehmen können. Frauen, die noch nie bei einer gynäkologischen Untersuchung waren, weil sie keine zugängliche Praxis finden?! Dieser Zustand ist unerträglich. Menschen mit Behinderungen haben das Recht auf eine medizinische Versorgung wie alle anderen auch. Es wird hingenommen, dass die UN-Behindertenrechtskonvention genau diesen gleichberechtigten Zugang in der gleichen Qualität und Bandbreite zur gesundheitlichen Versorgung vorschreibt (Artikel 25), die Realität in Deutschland davon allerorten weit entfernt ist.
Wir haben uns mit unserem Projekt „Barrierefrei. Wir sind dabei“ vorgenommen, zuerst einmal mehr Transparenz darüber herzustellen, wo was zu finden ist. Denn es gibt leicht zugängliche Praxen und engagierte Ärztinnen und Ärzte, für die die Behandlung von Menschen mit Behinderung selbstverständlich dazu gehört. Wir erheben Daten zu den genauen Bedingungen in den Praxen und veröffentlichen die Informationen in der Web-App planB.hamburg. Die Datenbank wächst langsam. Von einem Stadtplan zur gesundheitlichen Versorgung sind wir weit entfernt. Aufgezeigt haben wir den erheblichen Bedarf an mehr Transparenz und mehr Barrierefreiheit für die unterschiedlichen Bedarfe. Es geht ja nicht nur um die berühmte Rampe für rollstuhlnutzende Menschen.
Barrierefreiheit muss ein verpflichtendes Kriterium für niedergelassene Ärztinnen und Ärzte werden. Politik und Selbstverwaltung müssen handeln und entsprechende Vorgaben und Anreize setzen. Sonst lesen wir noch in 10 Jahren bei Twitter, dass Frauen nicht zur Krebsfrüherkennung können, obwohl sie diese Untersuchung in Anspruch nehmen wollen.
Veröffentlicht am 07. Januar 2019 von Redaktion
Kategorien: Barrierefreiheit